PRESSEERKLÄRUNG der FDP zum wirtschaftlichen Abwehrschirm
In der Ukraine tobt durch Wladimir Putin initiiert ein Krieg gegen Wohlstand und Freiheit, der unser Land, Europa und die Weltgemeinschaft trifft. Der wirtschaftliche Abwehrschirm, der vor allem mit dem von der FDP geforderten Belastungsmoratorium schnell wirksam werden wird, zeigt entschlossenes Handeln der Bundesregierung. Wir sollten uns alle dahinter versammeln, damit wir die Krise gemeinsam in erträglichem Maße bewältigen können. Die Regierung hilft, aber nach liberalem Credo sind wir nun alle zu eigenverantwortlichen Beiträgen aufgefordert.
Detlef Parr Bundesvorsitzender
Der Liberalen Senioren
PRESSEERKLÄRUNG der FDP
Wirtschaftlicher Abwehrschirm gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges
Deutschland durch die Krise führen,
Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmen helfen,
den Gasmarkt stabilisieren, Versorgungssicherheit gewährleisten
Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf Europa und unser Land. Es geht
um unsere Sicherheit, um unsere Freiheit und um unseren Wohlstand. Mit unseren Partnern
in Europa und der Welt unterstützen wir deshalb die Ukraine und verteidigen die Werte von
Selbstbestimmung, Freiheit und Demokratie in Europa. Präsident Putin hat diesen Krieg zu
verantworten, mit all seinen Konsequenzen.
Russland kämpft nicht nur einen militärischen Krieg in der Ukraine, Russland nutzt auch
Energie als Waffe. In den letzten Wochen hat sich die Lage dramatisch zugespitzt. Seit Beginn
des Krieges hat Präsident Putin die Gasversorgung als politische und ökonomische Waffe
gegen die Unterstützung der westlichen Welt, insbesondere Europa, eingesetzt. Ab jetzt ist mit
Gaslieferungen aus Russland nicht mehr zu rechnen.
Die Bundesregierung hat mit ihren bisherigen Entscheidungen stets konsequent auf die Lage
reagiert. Sie hat Gasimporteure und Energieversorgungsunternehmen mit Liquidität und
Krediten gestützt. Einzelne Unternehmen wurden unter staatliche Treuhand gestellt oder
verstaatlicht, um die Energieversorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen und europäischen Wirtschaft zu erhalten. Mit den Sabotageakten auf die
Gaspipelines in der Ostsee ist eine weitere Eskalationsstufe erreicht.
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs belasten die
Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft in Deutschland stark – insbesondere die
steigenden Energiekosten führen zu anhaltend hoher Inflation. Dadurch geht Kaufkraft
verloren, Unternehmen verlieren an Wettbewerbsfähigkeit. Wir stehen daher einig und
solidarisch zusammen. Wir werden die wirtschaftliche Substanz unseres Wohlstandes
erhalten. Niemand in Deutschland wird mit den Folgen des Krieges alleingelassen.
Die neue Lage erfordert erneut eine konsequente Antwort: Mit einem umfassenden
Abwehrschirm werden die steigenden Energiekosten und die schwersten Folgen für
Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen abgefedert. Dies wahrt den
gesellschaftlichen Zusammenhalt und die ökonomische Leistungsfähigkeit unseres Landes.
Es werden mehr Kapazitäten bei Wärme und Strom in den Markt gebracht. Durch
Einsparungen wird die Abhängigkeit von Gas – und auch anderen fossilen Energieträgern –
schneller reduziert. Neben der Strompreisbremse wird die Bundesregierung eine
Gaspreisbremse einführen. Für den Abwehrschirm stellt die Bundesregierung umfangreiche
Finanzmittel in Höhe von bis zu 200 Milliarden Euro zur Verfügung.
Für den Abwehrschirm werden als Krisenreaktion die notwendigen Ressourcen mobilisiert. Die
Einschränkungen in der kurzfristigen Verfügbarkeit von Energie und die extremen
Steigerungen und Schwankungen in den Preisen für Energie stellen jetzt eine
außergewöhnliche Herausforderung für die deutsche Volkswirtschaft dar. Auf die Aggression
Russlands reagieren wir entschlossen und stellen heute klar, dass es keinen Zweifel daran
gibt, dass wir die notwendigen finanziellen Ressourcen aufbringen um gegenzuhalten. Dafür
stellen wir, auch als Signal an Russland und für die Planbarkeit der Verbraucherinnen und
Verbraucher und Unternehmen, bereits heute ein so hohes Finanzvolumen zur Verfügung. Die
Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen können darauf vertrauen, dass der
Abwehrschirm mit ausreichenden finanziellen Ressourcen ausgestattet ist. Das Volumen ist
erheblich, aber gemessen an der Größe und Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft
verhältnismäßig und langfristig tragbar. Die fiskalischen Reserven Deutschlands werden
weiterhin nicht ausgeschöpft, um stets Handlungsfähigkeit zu erhalten.
Die fiskalische Resilienz und nachhaltige Finanzstabilität des deutschen Staates wird geachtet.
Die Fiskalpolitik wird die Inflation nicht zusätzlich befeuern. Für den Bundeshaushalt wird
daher ab dem nächsten Jahr weiter mit der Regelgrenze der Schuldenbremse geplant. Dafür
sind weiterhin Priorisierungen im Haushalt notwendig. Die deutschen Bundesanleihen werden
so weiterhin das höchste Vertrauen der Finanzmärkte genießen.
Auch auf europäischer Ebene gilt es, gemeinsame Beschlüsse zu einer Dämpfung der Gas-
und Strompreise herbeizuführen. Dafür werden wir uns als Bundesregierung einsetzen.
Aufgrund integrierter europäischer Gas- und Strommärkte ist es elementar, zu gemeinsamen
Lösungen auf europäischer Ebene zu kommen und die europäischen Überlegungen national
miteinzubeziehen.
Der Abwehrschirm umfasst folgende Maßnahmen:
1. Angebot ausweiten, Verbrauch senken: Durch die Ausweitung des Angebots an
Energie und die Senkung des Verbrauchs werden wir einen zentralen Beitrag leisten,
dass die Gaspreise auf den Märkten wieder sinken. Dazu gehört u.a. eine umfassende
Verbesserung des Angebots durch Ausschöpfung aller Potentiale der Erneuerbaren
Energie, bei der Kohleverstromung einschließlich Sicherstellung der entsprechenden
Versorgungstransporte, die Ermöglichung eines „Fuel Switch“ und der Aufbau von
Importstrukturen durch Flüssiggas-Terminals (LNG-Terminals). Wir schaffen
außerdem jetzt die Möglichkeit, die süddeutschen Atomkraftwerke bis zum Frühjahr
2023 laufen zu lassen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird weiter priorisiert
und beschleunigt: Wir werden dafür sorgen, dass die geplanten Ausschreibungen für
Offshore-Windparks so schnell wie möglich umgesetzt werden. Zudem werden wir mit
Ländern, in denen die Möglichkeit zur Erschließung neuer Gasfelder besteht, im
Rahmen der Verpflichtungen des Pariser Klimabkommens zusammenarbeiten, um die
ausfallenden russischen Gaslieferungen durch neu erschlossenes LNG-Angebot zu
ersetzen. Wir werden im Rahmen der aktuellen europäischen Diskussion den
vernetzten Ausbau gemeinsamer Flächen für Offshore Wind, den Ausbau von
Interkonnektoren sowie paneuropäische Investitionen in Wasserstoff-kompatible
Pipeline-Infrastruktur vorantreiben. Wir werden dafür sorgen, dass über die letzten
Monate mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung eingespeicherte
Gasmengen über die Wintermonate wieder dem Markt zur Verfügung gestellt werden.
Dafür werden Spot- und Terminmärkte genutzt.
Die Bundesregierung appelliert an Unternehmen und private Haushalte, den
Energieverbrauch zu senken, und achtet darauf, dass die Preissignale soweit wie
möglich wirken. Zudem hat die Bundesregierung bereits eine Reihe konkreter
Maßnahmen ergriffen, u.a. die Verordnungen zur Senkung des Energieverbrauchs, die
Einführung eines Regelenergieproduktes, das Aufsetzen einer umfassenden
Energiesparkampagne und Maßnahmen zur Energieeinsparung und Steigerung der
Energieeffizienz, die fortlaufend angepasst werden.
2. Einführung einer Strompreisbremse für Verbraucherinnen und Verbraucher
sowie alle Unternehmen. Weil Gas aktuell den Preis setzt und weil dieser gerade so
hoch ist, erzielen die Nicht-Gaskraftwerke sehr starke Zufallsgewinne. Diese sollen
genutzt werden, damit Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen stärker
von den günstigen Produktionskosten der erneuerbaren Energien und der übrigen
Stromerzeuger profitieren und dies auf ihrer Stromrechnung sehen.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
wird ein sogenannter Basisverbrauch subventioniert (Basispreis-Kontingent). Für den
darüberhinausgehenden Verbrauch wird der jeweils aktuelle Marktpreis angelegt. So
werden Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet, zugleich wird zur Reduktion des
Verbrauchs angeregt. Ziel ist es, den Endkundenpreis für Strom auf der Stromrechnung
zu senken und von den hohen Preisen am Großhandelsmarkt zu entkoppeln. Es soll
administrativ handhabbar sein und zeitlich schnell umgesetzt werden. Die übrigen
Unternehmen, insbesondere große Industrieunternehmen, werden in ähnlicher Weise
ebenfalls entlastet, indem ein spezifischer Basisverbrauch verbilligt wird.
3. Schnellstmögliche Einführung einer Gaspreisbremse. Die Gaspreisbremse wird
die in einer Hochpreisphase auftretenden Belastungen für Haushalte und Unternehmen
abfedern. Dadurch werden diese finanziell spürbar und sichtbar entlastet. Die
Abfederung ist eine temporäre Maßnahme. Daher werden die Preise (zumindest für
einen Teil des Verbrauchs) auf ein Niveau gebracht, welches private Haushalte und
Unternehmen vor Überforderung schützt. Gleichzeitig sollen Anreize zur Reduktion des
Gasverbrauchs erhalten bleiben. Die Gaspreisbremse ist befristet und kann nach
Evaluierung verlängert werden. Ziel ist auch hier, sie administrativ handhabbar zu
machen und zeitlich schnell umzusetzen.
Die genaue Ausgestaltung der Gaspreisbremse entlang der voranstehenden Leitlinien
wird unter Berücksichtigung entsprechender Vorschläge der „ExpertInnen-Kommission
Gas und Wärme“ festgelegt werden, die bereits Mitte Oktober einen entsprechenden
Bericht vorlegen soll.
4. Reaktivierung und Neuausrichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Der
Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) soll im Jahr 2022 mit zusätzlichen
Kreditermächtigungen aufgrund von Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 des Grundgesetzes in
Höhe von 200 Milliarden Euro ausgestattet werden. Dadurch werden die Maßnahmen
der Krisenbewältigung von allgemeinen politischen Vorhaben unterschieden. Die
Möglichkeiten der Nutzung des WSF sind deshalb auf folgende Aufgaben begrenzt:
a. Finanzierung der Gaspreisbremse.
b. Liquidität und Zuschüsse für die Strompreisbremse. Für die Finanzierung der
Strompreisbremse wird weiterhin die Abschöpfung der Zufallsgewinne der
Stromproduzenten herangezogen. Bei Bedarf können bei Auseinanderfallen
der Umsetzung der Entlastung und Abschöpfung jedoch Mittel aus dem WSF
als Liquiditätshilfe zeitlich begrenzt genutzt werden.
c. Finanzierung weiterer Stützungsmaßnahmen für aufgrund des Krieges in
Schwierigkeiten geratene Unternehmen. Den Unternehmen, die nicht in
ausreichendem Ausmaß von der Strom- und Gaspreisbremse erfasst werden,
stehen Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen zur Verfügung. Diese richten sich
zielgerichtet auf durch den Angriffskrieg Russlands verursachte Notlagen und
vermeiden Mitnahmeeffekte. Hier soll auch eine Regelung für Härtefälle
geschaffen werden.
d. Ersatzbeschaffungskosten für aufgrund des Krieges in Schwierigkeiten
geratene und für die Marktstabilität relevante Gasimporteure. Die saldierte
Preisanpassung wird daher aufgehoben und für die besonders betroffenen
Unternehmen SEFE, Uniper und VNG werden stattdessen maßgeschneiderte
Lösungen entwickelt.
Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) und KMU-Programm gehen in diesen
Maßnahmen auf.
5. EU-Solidarabgabe für Unternehmen im Energiebereich. Die Bundesregierung
unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Einführung einer
Solidarabgabe für Unternehmen im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich und
setzt sich für eine politische Einigung auf dem Sonder-Energierat am 30. September
ein.
6. Reduzierung Umsatzsteuer Gas. Unabhängig von der Gasumlage werden wir die
Umsatzsteuer auf Gas bis zum Frühjahr 2024 auf den reduzierten Satz von 7 Prozent
begrenzen. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz wird außerdem auf Fernwärme
ausgeweitet. Dies ist ein weiterer Beitrag zur Dämpfung der Energiekosten.
7. Vermeidung unverhältnismäßiger Bürokratie. Die Krise führt bei vielen
Unternehmen zu zusätzlichen Belastungen. Es wird deshalb sorgfältig darauf geachtet,
dass während der Zeit der Krise keine unverhältnismäßigen zusätzlichen
Bürokratielasten die Wirtschaft beeinträchtigen (Belastungsmoratorium). Dafür wird
sich die Bundesregierung auch in der Europäischen Union einsetzen.
Die hier beschriebenen Maßnahmen des Bund helfen auch Ländern und Gemeinden. Auch
Schulen, Sportvereine und kommunale Unternehmen wie Krankenhäuser und
Kultureinrichtungen profitieren vom Abwehrschirm. Hierdurch sinken potentielle Belastungen
bei Ländern und Kommunen, die andernfalls diese Unternehmen und Einrichtungen stärker
unterstützen müssten. Vor diesem Hintergrund und angesichts der erheblichen
Kreditaufnahme im Rahmen des WSF erwartet der Bund bei den anstehenden Verhandlungen
mit den Ländern zur Finanzierung des Entlastungspakets III, dass die Länder ihren finanziellen
Beitrag erbringen können.